Friday, February 29, 2008

Lost in social networks: Freundefinden im facebook (ein Selbstversuch)

Foto: © E. M. B.

Das Web 2.0 ist ein cooler Ort, an dem sich coole Menschen treffen, die coole Sprüche klopfen und oft genug mit dreistelligen Kontakten miteinander verbunden – also: vernetzt sind. Für jedes Alter, so scheint es, gibt es zumindest ein soziales Netzwerk.

Xing, das früher openBC hieß (was eigentlich viel cooler klang, aber eine höhere Marktkapitalisierung gefährdete), ist für die arbeitende Bevölkerung gedacht, die noch dabei ist, ihre Karriere aufzubauen, wo Netzwerke eben helfen – die Generation 30+ also.

LinekdIn ist das internationale Pendant – dasselbe in Weiß und in Englisch. For the global player in you.

studiVZ ist das größte Studentennetzwerk der Republik und zählt mehr als 4 Millionen Mitglieder – also doppelt so viel wie es Studenten gibt. Das Ding ist so beliebt, dass es offenkundig die ganze deutsche Generation 20+ elektrisiert hat – es soll mehr als Ausnahmefälle geben, die sich beim Durchklicken der virtuellen Fotoalben mancher Studentin wünschen, sie könnten noch einmal zurück auf den Campus...

facebook indes ist die Krönung aller sozialen Netzwerke (YouTube und mySpace einmal nicht weiter betrachtet, weil entweder TV-Freaks oder Teenies oder beide zu ihrer eigentlichen Zielgruppe zählen). Funktional viel ausgereifter als der deutsche Nachahmer studiVZ, umfasst facebook inzwischen weltweit über 60 Millionen Nutzer: (zumeist) keine Fakes, sondern namentlich registrierte Nutzer; vor allem, aber nicht nur Studenten, sondern inzwischen auch viele Professionals der Xing-/LinkedIn-Generation - und das eben auch noch weltweit. facebook ist also das definitive social network for the global player and networker and the funlover in you.

Also auf zu facebook! Doch so einfach ist es nicht, wie ein Selbstversuch vom vorletzten Wochenende beweist. Ein früherer Kollege der Generation Xing/LinkedIn/30+ lädt mich zu facebook ein. Das finde ich gut – ich hatte ja auch schon mal daran gedacht, aber schnell kapituliert, weil ich niemanden, aber auch wirklich fast niemanden aus dem Freundes-/ Bekannten/-Kollegen-Kreis dort gefunden habe.

Also ein neuer Anfang, ein neues Profil in einem social network. Oh Wunder, tatsächlich finde ich dann doch eine Freundin in facebook. Schon zwei Kontakte. Ich klicke mich noch einmal durch meine Xing-Kontakte. Nein, wirklich niemand hier. Ich öffne mein Adressbuch und beginne Einladungen zu verschicken. Zunächst an die besten 10 Freunden, wir wollen ja nicht übermütig werden – und wahllos schon gar nicht. Das hier soll schließlich das Königsbuch der Netzwerke sein, VIP-Status wäre da nicht schlecht. Friends only!

Foto: © Jacob Bøtter

Am Sonntag direkt nach dem Aufwachen ein Blick auf das iPhone. Nils and Otto Pfister are now friends, verrät mir mein facebook-Profil. Zuerst finde ich das lustig, dann doof. Otto Pfister ist bekanntermaßen Trainer der kamerunischen Nationalmannschaft – und, nicht zuletzt dank seines Nachnamens, eher Witzfigur als realer Kontakt. Da hat sich ein Freund wohl nicht ganz getraut und stattdessen den 61-jährigen Handlungsreisenden vorgeschickt. Ich belehre den Freund in einer eMail, dass soziale Netzwerke wie facebook schon von ihrer Authentizität leben und er sich doch bitte zu erkennen geben möge. Das will er nicht, und so ist Otto am Ende des Tages nicht mehr mein Freund.

Die Angst der Generation 30+ vor der Internetveröffentlichungen des eigenen Namens – sie ist schon sehr ausgeprägt. Als Reaktionen kommen: "Weiß nicht", "was soll ich denn da", "sehe keinen Mehrwert", "bin skeptisch", "melde mich vielleicht nächste Woche an" – oder gar nicht. Ich bin überrascht. facebook ist tatsächlich die coolste und die nützlichste Seite der Web 2.0-Ära – und trotzdem kein Interesse?

Im Gegensatz dazu blockieren etwa braungebrannte Norwegerinnen auf Kreta stundenlang Interncafés auf der Suche nach dem neusten facebook-Gossip. Und tatsächlich kann man in facebook wirklich alle und alles finden – selbst den 7 Jahre vergessenen Kollegen aus New York, der jetzt seine Salsa Society hat, selbst die Sommerliebe aus dem zweiten Unisemester und sogar eine Brüsseler Liebschaft mit luxemburgisch-italienischen Wurzeln aus der Zeit um die Millenniumswende.

Schließlich kamen die Freunde dann doch - unter zwar aus den unterschiedlichsten Himmelsrichtigungen. Nach einer Woche hatte ich zehn Freunde, nach zwei zwanzig – die Hälfte neu aus facebook. Aus Peru, aus Mexiko, aus Kroatien. Es lebe die globalisierte Welt - einmal mehr im Internet.


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